„Der Prophet“ von Alexander Sergejewitsch Puschkin
Dieses dreidimensionale Mosaik ist nach einem Bild des russischen Malers Konstantin Wassiljew (1942–1976) entstanden. Sein ganzes Leben hat dieser der Erforschung der russischen traditionellen Kultur und Mythologie gewidmet. Davon zeugt auch sein Pseudonym — Konstantin Welikoross („der Großgewachsene“). Als künstlerisches Erbe hinterließ er 400 Werke verschiedener Genres, von märchenhaften Portraits bis hin zu surrealistischen Kompositionen. Viele Kunsthistoriker teilen die Ansicht, dass „Der Mann und der Uhu“, Wassiljews letztes Werk, einen der Höhepunkte seines Schaffens bildet.
Alle bedeutsamen Symbole, die der Maler auf seinem Bild verewigte, wurden von den Steinschneidekünstlern bedacht und neu erschaffen. Zu den Füßen des alten Mannes liegt eine brennende Schriftrolle mit seinem Pseudonym, das in altrussischer Schrift, der Swjasj, geschrieben ist, und dem Entstehungsjahr der Arbeit, welches durch ein seltsames Spiel des Schicksals zugleich zum Jahr seines Todes wurde. In den Händen hält der alte Mann eine Kerze und eine Peitsche, obenauf hockt der scharfsichtige Uhu. Ein junger Trieb sprießt aus dem Boden vor ihnen.
Traditionell verkörpert die Figur des Alten innerhalb der russischen Kultur die ganze Weisheit menschlicher Erfahrung, was der Kerze in der Hand des Mannes eine besonders tiefgründige Bedeutung verleiht. Der Künstler hat zwei weitere starke Symbole ins Zentrum der Komposition gestellt: die brennende Rolle und das dünne Stämmlein einer Eiche, das darunter hervor sprießt. Forscher und Kenner von Wassiljews Werk bringen verschiedene Interpretationen vor, deuten die Flamme z. B. als kreative Hitze und die Pflanze als Zeichen der Ewigkeit und ständigen Erneuerung. Auch der Uhu gilt in den meisten Kulturen der Welt als Verkörperung von Weisheit: Selbst die schwarze Nacht kann das Geheimnis des Weltgebäudes nicht vor ihm verbergen.
Die Wirkung dieser bedeutungsschweren Symbole wird durch ihr Zusammenspiel zusätzlich verstärkt, was dem Kunstwerk eine zutiefst philosophische Aura verleiht — genau diese haben die Steinschneidemeister in ihrem dreidimesionalen Mosaik herausgearbeitet. Die Atmosphäre eines winterlichen Märchenwaldes wird durch den Sockel der Skulptur wiedergegeben, für den die Meister ein massives Stück Bergkristall mit rötlich-braunen Einstreuungen ausgewählt haben. Die warme Schattierung wird nach oben hin immer gehaltvoller, bis die Komposition schließlich in der Figur des Uhu mit seinen halb durchscheinenden gespreizten Flügeln aus orange-braunem Achat kulminiert.
Getrieben von des Geistes Gier,
darbt’ ich in Wüsten, als sich zeigte
ein sechsflügliger Seraph mir,
wo sich der Weg zum Kreuz verzweigte.
Und seines Fingers Lichtgebild
berührte meine Augen mild:
und Seher-Augen, furchtlos wahre,
erwachten wie erschreckte Aare.
Und in mein Ohr sein Finger drang,
und es erfüllte Schall und Klang:
und ich vernahm des Himmels Beben,
der Engel sternumwehten Flug,
des Meergetiers verborgnen Zug,
das Tasten erdennaher Reben.
Und er griff tief in meinen Schlund
und riß die Zunge aus dem Mund,
die eitle, sündhafte und bange.
Und durch erstarrter Lippen Rand
stieß seine blutbespritzte Hand
den weisen Stachel ein der Schlange.
Und meine Brust sein Schwert durchstob,
und ihr mein bebend Herz entrang er,
und in die offne Wunde schob
er eine Kohle, flammenschwanger.
Ich lag im Wüstensand wie tot,
und Gottes Stimme mir gebot:
Steh auf, Prophet, und sieh und höre,
verkünde mich von Ort zu Ort
und, wandernd über Land und Meere,
die Herzen brenn mit meinem Wort.