Aus dem Märchen „Iwan Zarewitsch, der Feuervogel und der graue Wolf“
Im Zentrum der Komposition erhebt sich die Figur eines goldenen Vogels. Er thront auf einem Baumzweig, an dem goldene Äpfel wachsen. Das Motiv eines solchen wundervollen Vogels gibt es in den Märchen der meisten Völker der Erde. In der russischen Folklore ist die Suche nach dem Feuervogel stets mit großen Hindernissen verbunden, welche der Held mit Hilfe seiner Gefährten überwinden muss. Als Verkörperung von Feuer und Licht ist er in der Lage, mit einem Flügelschlag die Finsternis zu vertreiben, und seine Flügel gleichen glühend heißen Flammenzungen. Deshalb ist es auch nicht einfach, ihn zu fangen, wenn er sich an den goldenen Äpfeln im Märchengarten vergeht, die Jugend, Schönheit und Unsterblichkeit verleihen. Die einzige Möglichkeit besteht darin, einen goldenen Käfig als Falle zu bauen und Zauberäpfel hineinzulegen.
In verschiedenen Erzählungen wird immer das gleiche Motiv wiederholt: Der schwer zu fangende Feuervogel verliert eine einzige Feder, die noch lange Zeit leuchtet und Wärme spendet. Derjenige, der sie findet, kommt nicht mehr zur Ruhe. Er will diesen Wundervogel so sehr besitzen, dass er zu allem bereit ist. Die Legende schreibt dem Vogel Heilkräfte zu: Blinde erlangen ihre Sehkraft wieder, sein Gesang kann Kranke genesen lassen. Die goldenen Äpfel, um derentwillen er sich nachts aus seinem Käfig befreit, verleihen ihm ewige Jugend, Schönheit und Unsterblichkeit.
Solch eine schillernde Gestalt mit derart romantischer Ausstrahlungskraft musste die Fantasien von Poeten und Malern beflügeln. Die einstige Märchenfigur wurde zum Symbol schlechthin für etwas leidenschaftlich Gewünschtes, Geheimnisvolles, Heißbegehrtes, doch zugleich Verborgenes und Unzugängliches. Reichtum, Prosperität, Glück, Liebe — mit dem Feuervogel sind stets die sehnlichsten Wünsche der Menschen verbunden. Aber es ist alles andere als einfach, den Feuervogel zu fangen: Er lebt in einem goldenen Käfig in einem fernen fernen Land. Und bewacht wird dieser Käfig von drei kräftigen Recken — den Bogatyri.
In dieser Komposition wachen drei Krieger über den Frieden des Feuervogels — ein greiser, einer im besten Alter und ein junger. Sie verkörpern die Aufeinanderfolge der Generationen in der Bewahrung des Kostbarsten. Die Aussagekraft wird durch ein allegorisches Sinnbild verstärkt: Der greise und der mittlere Krieger sind auf ihrem Wachposten vor Erschöpfung eingeschlafen, während der jüngste hellwach und stets darauf gefasst ist, für die Bewahrung des kostbaren Geheimnisses zu kämpfen. Darin bringen die Meister gleichsam die Bereitschaft der jungen Generation zum Ausdruck, diese edle Verantwortung zu übernehmen und die nationalen Werte, Bestrebungen und Hoffnungen zu hüten.
[...] Da war der jüngste Sohn an der Reihe. Iwan machte sich auf, den Garten seines Vaters zu bewachen. Er wagte es nicht sich hinzulegen, um ja nicht einzuschlafen. Wenn der Schlaf ihn zu übermannen drohte, wusch er sein Gesicht mit dem Morgentau und verscheuchte die Müdigkeit. So verging die halbe Nacht. Plötzlich leuchtete etwas in der Ferne auf und wurde heller und heller, bis der ganze Garten wie am Tag erleuchtet war. Das war der Feuervogel, der sich auf einen Baumzweig setzte und begann, die goldenen Äpfel zu picken. Iwan schlich sich heran und packte den Feuervogel. Doch er konnte entwischen und Iwan blieb mit einer einzigen Feder zurück. Gleich nachdem der Zar aufgewacht war, ging Iwan zu ihm und berichtete von dem Dieb, der seine Äpfel stahl. Auch die Feder des Feuervogels zeigte er ihm. Seit diesem Tag erschien der Feuervogel nicht mehr im Garten und der Zar konnte wieder essen, trinken und schlafen. Immer wieder betrachtete der Zar jedoch die Feder des Feuervogels und begann bald davon zu träumen, den Vogel einzufangen.
So rief er seine Söhne wieder zu sich und sprach: „Hört zu, meine Söhne. Sattelt eure Pferde und macht euch auf die Suche, um den Feuervogel zu fangen, sonst wird er zurückkommen und wieder meine Äpfel stehlen.“
Die Kinder verneigten sich vor dem Vater, sattelten ihre besten Pferde und machten sich auf den Weg — der älteste Sohn in die eine Richtung, der mittlere in eine andere und Iwan in die dritte. Nach einer Weile gelangte Iwan zu einer Stelle, wo der Weg sich in drei teilte. Dort sah er eine steinerne Säule, auf der geschrieben stand: „Wer an dieser Säule geradeaus reitet, der wird bald Kälte und Hunger leiden. Wer nach rechts reitet wird putzmunter und gesund sein, sein Pferd aber wird sterben. Wer aber nach links reitet, der wird selbst zu Tode kommen, und sein Pferd wird am Leben bleiben.“ Iwan dachte nach und nahm den Weg nach rechts.
[...] Irgendwann erreichten sie eine hohe Festung. Da sprach der graue Wolf: „Hör zu, Iwan! Klettere über die Mauer! Hab keine Angst, die Stunde ist günstig, die Wachen schlafen alle. Hinter der Mauer ist ein Garten und im Garten sitzt der Feuervogel in einem goldenen Käfig. Nimm den Vogel, doch rühre den Käfig nicht an, sonst wird ein Unheil geschehen.“
Iwan kletterte über die Mauer, nahm den Vogel und steckte ihn unter sein Hemd. Doch dann fiel sein Blick auf den Käfig. Das Gold glänzte so sehr, dass Iwan nicht widerstehen konnte. Sobald er aber den Käfig berührte, erfüllte ein lauter Glockenton den ganzen Garten. Die Wachen eilten herbei, packten Iwan und führten ihn zum Zaren Afron.
Der Feuervogel und die drei Bogatyri
Steinschneidewerkstatt „Swjatogor“
2014
Idee: Iwan Golubew
Meister: Iwan Golubew, Stas Schirjaew, Wiktor Korobejnikow, Iwan Wandyschew, Roman Bachtin, Konstantin Antipin
Schliff: Igor Manturowski, Sergei Zygankow, Roman Bachtin
Juweliere: Alexandr Schakirow, Dmitri Jewdokimow
Material: Pyrit, Jaspis, Achat, Gasgan-Marmor, Silber
Maße: 53 × 56 × 56 cm