Aus dem Märchen „Iwan-Zarewitsch und der Grauwolf“
Das Märchen vom Iwan Zarewitsch und seinem getreuen Helfer, dem grauen Wolf, ist im Volk sehr beliebt: Es ist in der Tat schwer, der beinahe detektivischen Handlung, dem unvergleichlichen Glück des Iwan Zarewitsch und seiner Freundschaft mit dem wilden Tier nicht zu verfallen. Auch den berühmten russischen Maler Wiktor Wasnezow, einen glühenden Verehrer der alten Rus, ihrer Sagen, ihrer Schönheit und Poesie, hat die Geschichte nicht unberührt gelassen. Sein Gemälde „Iwan Zarewitsch auf dem grauen Wolf“ inspirierte die Steinschneidekünstler zu dieser Skulptur.
Wasnezow malte das Werk auf der Höhe seiner Schaffenszeit: In historischen Sujets und Märchenmotiven hatte er die wahre russische Schönheit und Größe gesucht und gefunden. Das Märchen fiel ihm ganz plötzlich zu: Ende der 1880er Jahre war er gerade damit beauftragt, die Wände der Wladimir-Kirche in Kiew mit biblischen Motiven und Portraits von ruhmreichen Helden der Vergangenheit zu verzieren. Eines Tages ließ er mit einem Mal alle Arbeit stehen und liegen und schloss sich in seiner Werkstatt ein — so sehr hatte ihn dieses Märchenbild in seinen Bann gezogen.
Das Volksmärchen erzählt von den Abenteuern des Iwan Zarewitsch, dem jüngsten der drei Zarensöhne, welcher aufbricht, den zauberhaften Feuervogel zu finden, von seiner Reise aber gleich auch noch die wunderschöne Helena und das goldmähnige Ross mitbringt. Ein Grauwolf gesellt sich als Gefährte zu ihm: Auf diese Weise will er seine Schuld verbüßen, weil er es einst auf das Zarenross abgesehen hatte. Der graue Wolf weist Iwan den Weg, trägt ihn auf seinem Rücken, hilft ihm mit wertvollen Hinweisen und steht ihm mit Rat und Tat zur Seite. Nur Iwan Zarewitsch allein sieht im Wolf einen Freund und gleichwertigen Partner. Den Herrschern der anderen märchenhaften Zarenreiche, denen sie auf ihrem Weg begegnen, jagt der Formwandler hingegen einen gewaltigen Schrecken ein, wenn er in Wolfsgestalt vor ihnen erscheint.
Auf dem Gemälde — und auch hier in Steinform — ist der Moment verewigt, als Iwan und die geraubte Helene, die Wunderschöne, auf dem Rücken des grauen Wolfs vor ihren Verfolgern fliehen. Sie schweben gleichsam über einem Sumpf im tiefsten finster-schrecklichen Wald. Der Maler hat viel Sorgfalt in die Kleidung der Helden und die Gestaltung der Landschaft gesteckt: Der goldene Kaftan des Zarewitsch und das blaue Kleid der jungen Frau entführen den Betrachter auf eine Reise in die märchenhafte Welt der Magie und der Wunder. Dem Wolf hat Wasnezow einen beinahe menschlichen Blick gegeben, um an die Doppelnatur des Formwandlers zu erinnern.
Die Meister erschufen die Komposition in Steinform neu und bewahrten dabei die zauberhafte Märchenstimmung: Ausdrucksstarke Farben, detailreich wiedergegebene Posen, dynamische Bildkomposition — dies alles illustriert jene magische Verbindung zwischen Mensch und Tier.
Iwan-Zarewitsch ging den Weg zurück, der Grauwolf aber sprang über die Mauer — direkt in den Garten. Duckt sich hinter einen Busch und lauert. Da kommt Helene die Wunderschöne mit ihren Kammerfrauen und Wärterinnen daher, wandelt auf und nieder. Als sie grad’ mal etwas hinter ihren Frauen zurückgeblieben war, packte sie der Grauwolf, warf sie sich über den Rücken und war auch gleich wie der Wind auf und davon mit ihr.
Iwan-Zarewitsch geht seines Weges dahin, da kommt der Grauwolf angejagt, Helene die Wunderschöne auf dem Rücken. Iwan-Zarewitsch freut sich, der Grauwolf aber ruft ihm zu:
„Spring schnell auf, daß uns die Verfolger nicht einholen!“
[...] Nach einiger Zeit kommen sie zum Zaren Kusman. Fragt der Grauwolf:
„Was bist du so still, Iwan-Zarewitsch? Läßt den Kopf hängen?“
„Bin traurig, Grauwolf, muß ich mich doch von so viel Schönheit trennen, muß Helene die Wunderschöne für ein Roß hergeben!“
Antwortet der Grauwolf:
„Ich werd’ dich nicht von der Schönen trennen, wir wollen sie hier verbergen. Ich aber werd’ mich in Helene die Wunderschöne verwandeln, und du führst mich zum Zaren Kusman.“
Sie versteckten Helene die Wunderschöne in einem Waldhaus. Der Grauwolf überschlug sich und stand da als Helene die Wunderschöne. Iwan Zarewitsch führte ihn zum Zaren Kusman. Der Zar freute sich und bedankte sich:
„Ich danke dir, Iwan-Zarewitsch, daß du mir die Braut gebracht, nimm dir nun das goldmähnige Roß und den Zaum!“
Iwan-Zarewitsch schwang sich auf das goldmähnige Roß und ritt zu Helene der Wunderschönen. Er hob sie zu sich in den Sattel und ritt mit ihr davon.
Indessen richtete Zar Kusman das Hochzeitsfest, feierte den langen Tag bis zum Abend, und als es Zeit war zum Schlafengehn, führte er Helene die Wunderschöne ins Schlafgemach. Kaum aber hatten sie sich ins Bett gelegt, da sieht er neben sich statt einer jungen Frau einen Wolfsrachen! Der Zar fiel vor Schreck aus dem Bett, der Wolf aber machte, daß er davonkam.
Iwan Zarewitsch und der graue Wolf
Steinschneidewerkstatt «Swjatogor»
2015
Idee: Grigori Ponomarjow
Meister: Andrei Pawlow
Juweliere: Wiktor Sobolew, Dmitri Babuschkin
Schliff: Igor Mantukowski,Roman Bachtin
Material: Chrysopras, Chalcedon, Tigerauge, Karneol, Feuerstein, Perlmutt, Achat, Jaspis, Moosachat, Marmor, Saphirin, Kristall, Zirkonia, Topas, Bronze, Silber, versilbert, vergoldet, geschwärzt
Maße: 43 × 26 × 54 cm