Diese beiden Figuren altrussischer Krieger in der Technik des dreidimensionalen Mosaik sind Edelstein-Nachbildungen zweier bronzenen Kerzenhalter-Skulpturen nach einem Modell des berühmten russischen Bildhauers Jewgeni Lansere (1848 – 1886).
Diese beiden Figuren altrussischer Krieger in der Technik des dreidimensionalen Mosaik sind Edelstein-Nachbildungen zweier bronzenen Kerzenhalter-Skulpturen nach einem Modell des berühmten russischen Bildhauers Jewgeni Lansere (1848 – 1886). Diese waren einst Teil einer Garnitur, die außerdem eine Kaminuhr mit der Figur eines Falkners beinhaltete. Auf die Idee brachte die „Swjatogor“-Meister ein Auftraggeber — ein Verehrer der Kunst Lanseres, in dessen Arbeiten laut dem Kritiker W. Stassow „alles zutiefst volksnah und wahrhaftig“ sei. Auch die russischen Glyptiker der vergangenen Epochen schöpften auf ihrer Suche nach Motiven und Modellen gerne aus anderen Richtungen des Kunsthandwerks. So ließ sich beispielsweise Carl Fabergé (1946 – 1920) durch die Porzellanplastiken privater Fabriken der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts inspirieren, die sogenannten Cris (franz. „Schrei“) — und diese orientierten sich ihrerseits an den zahlreichen Büchern und Bildbändern, die den Bräuchen, Sitten und Freizeitvergnügungen des russischen Volkes gewidmet waren. Ein berühmtes Beispiel ist der sowjetische Bildhauer und Steinschneidekünstler Wassili Konowalenko (1929 – 1989), der, inspiriert von der Leningrader Porzellanfabrik, in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts praktisch im Alleingang die Tradition des dreidimensionalen Steinmosaik des ausklingenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts wiederbelebte.
In den Verzeichnissen der Kunstwerke von Je. Lansere heißen die beiden symmetrischen Kerzenhalter-Figuren „Strelize und Bojarensohn“. Während die Skulptur des Strelizen, die eine „historische Rekonstruktion“ darstellt, sich durch dokumentarische Genauigkeit der Uniform und der Bewaffnung auszeichnet, ist der zweite Krieger nach Ansicht der Kunsthistorikerin Dementjewa eine „eher stimmungsvoll-märchenhafte denn eine historisch getreue“ Figur. So haben auch die modernen Steinschneidemeister, ohne auf ein psychologisch genaues Bildnis abzuzielen, dekorative kostümierte Skulpturen erschaffen: Die Krieger sind in eleganten Posen dargestellt, fast als würden sie den Betrachter dazu einladen, ihre Uniformen und Ausrüstungen zu bewundern. Der junge „Bojarensohn“ trägt einen weiten Mantel (Ochaben) aus blauem Jaspis mit kantigem Pelzbesatz und Futter aus Moosachat, unter dem eine Hämatit-Kettenrüstung mit einem kupfernen roten Ledergürtel angedeutet ist. Der Helm besteht aus Pyrit und Achat, die weichen Lederstiefel mit hohem Schaft und nach oben gebogenen Spitzen sind aus Feuerstein geschnitzt.
Der Strelize ist in einen langen roten Caftan aus Jaspis mit feinen Farbübergängen vom Roten (Filz) ins Rotbraune (Fuchsfell) gekleidet. Die fellumrandete Mütze ist zusammengesetzt aus Feuerstein und Achat. Als Waffen trägt der erfahrene Dienstsoldat eine Hakenbüchse aus Jaspis, einen Berdysch mit gezahnter und verzierter schmiedeeiserner Schneide sowie einen Säbel. Sein leicht ergrauter Bart ist aus braunem, von Adern durchzogenem Jaspis gearbeitet.
Die Gesichter des volkstümlich-schneidigen Strelizen und des jungen Kriegers mit adeliger Bojarenаbstammung sind aus Marmor geschnitten, die Augen in der Mosaiktechnik ausgeführt.
Die Steinfiguren der Werkstatt „Swjatogor“ stehen den Skulpturen des berühmten Meisters der dekorativen Bronze in Filigranität der Verarbeitung und Detailsorgfalt in nichts nach, ja übertreffen sie vielleicht sogar. So ist zum Beispiel die Petarde anders als beim Bronzeguss an beweglichen Riemen befestigt, die kleinen Hülsen für die Treibsätze hängen tatsächlich am Bandelier. Die fein verarbeitete Pulverbüchse, verziert mit einem Vogel im Form eines reliefierten Kamees, vervollständigt die virtuos ausgeführte farbenprächtige Ausrüstung. Die polychromen Edelsteine mit ihren verschiedenen Texturen eröffneten den Meistern im Vergleich zur monochromen, glänzenden, reflektierenden Bronze mit ihrer einheitlichen Oberfläche weitaus vielfältigere Gestaltungsmöglichkeiten. Die Figuren aus der Feder Jewgeni Lanseres sind als Teilelement der Kerzenständer auf hohe, mit dekorativen Zierelementen überladene Piedestale mit Profilleisten erhoben und stützen sieben Kerzenarme, die im Stil von bäuerlichen Holzaussägearbeiten verziert sind. Die Piedestale sind zudem größer als die figürlichen Ständer selbst. Die Steinskulpturen haben hingegen kleinere, runde Sockel, die nicht von den pittoresk kostümierten Figuren ablenken und auf ganz organische Weise mit ihren harmonieren. Der Bojarensohn steht auf einem steinernen Erdboden aus Feuerstein, der Strelize auf einer ausgetretenen Schneeschicht aus Nephrit, auf der ein korallenrotes Vogelbeerzweiglein liegt, was der Komposition nach Aussage des Autors eine romantisch-lyrische Note verleihen soll. Der Kerzenarme, der sie stützenden profilierten Untersetzer und der massigen hohen Piedestale entledigt, haben die Steinvarianten der Modelle nichts von ihrer Repräsentativität eingebüßt, sondern im Gegenteil künstlerischen Eigenwert dazugewonnen. Den Meistern der Werkstatt „Swjatogor“ ist es gelungen, Elemente eines Nutzgegenstandes, nämlich eines Kerzenhalters, in äußerlich sehr effektvolle, dekorative Edelsteinskulpturen zu verwandeln. In diesen zeitgenössischen Kunstwerken lebt die Tradition der filigranen, aus verschiedenen Steinen zusammengesetzten und mit Juwelierdetails versehenen seltenen Figuren „in Uniformen verschiedener Regimenter“, wie sie die Firma Fabergé herstellte, weiter. Schon die Zeitgenossen C. Fabergés schrieben über die im Auftrag des Kaisers hergestellten Statuetten zu militärischen und historischen Themen, sie würden als „höchst beständige Dokumente in den Archiven aufbewahrt werden. Sie sind vergleichbar mit Papyrusrollen, dabei jedoch hundertfach langlebiger als unser modernes Papier, welches bereits nach hundert Jahren zu Staub zerfällt.“ Und so führen auch die Künstler der Werkstatt „Swjatogor“ als wahre Virtuosen der Steinschneide-und Juwelierskunst mit außergewöhnlicher schöpferischer Phantasie eine Art steinerne Militärchronik.
<...>Wenn ich mich an Jewgeni Lansere erinnere, sehe ich ihn stets im Wohnzimmer seines Hauses im Neskutschni-Anwesen, wie er in einem weichen Sessel am Fenster sitzt und an einer seiner Statuetten arbeitet, sie in der Hand dreht und immer wieder einen Metallspatel mit Wachsstücken an einen kleinen gläsernen Spiritusbrenner hält. Auf der Nase des jungen Mannes sitzt eine Brille und er ist so ausgemergelt und gebeugt und hat so durchsichtige Finger, dass er eher einem Greis gleicht. Er arbeitete stundenlang ohne Pause und ohne seine Pferde-oder Menschenfigur aus den Händen zu legen. Ab und zu wurde sein Husten zu stark, und dann riss sich Jewgeni von seiner Arbeit los und lief ein paar Schritte im Zimmer umher, mit aller Kraft gegen die Anfälle ankämpfend. Erstaunlicherweise fühlte sich derselbe Mann noch im letzten Jahr seines Lebens an manchen Tagen so gut, dass er im eiskalten Fluss badete, der in der Nähe seines Guts verlief, und lange Ausritte um das Anwesen unternahm. Er ließ dann seine Lieblingsstute Kabarda an den Eingang bringen, hüpfte geschickt wie eh und je auf das Pferd und ritt durch das Tor hinaus, wobei er aussah wie ein verwegener Tscherkesse. Einem Tscherkessen glich er wohl auch deswegen, weil er sowohl zu Hause als auch zu Gast stets ein östlich anmutendes Kostüm trug, eine Art Poddjowka — einen leichten grauen Mantel, der seitlich geknöpft wurde – , samtene Pumphosen und Tatarenstiefel.
Wachen. Strelize und Bojarensohn
Steinschneidewerkstatt „Swjatogor“
2012
Autor: Iwan Golubew
Meister: Andrej Pawlow
Schliff: Sergej Zygankow
Juwelier: Alexander Schakirow
Material: Jaspis, Achat, Gasgan-Marmor, Hämatit, Pyrit, Silber
Größe: 32 × 16 × 13.6 cm
Steinschneidewerkstatt „Swjatogor“
2012
Autor: Iwan Golubew
Meister: KirillMasjagin
Schliff: Sergej Zygankow
Juwelier: Alexander Schakirow
Material: Chalcedon, Jaspis, Gasgan-Marmor, Feuerstein, Hämatit, Pyrit, Moosachat, Silber
< p>Größe: 32 × 17 × 16.8 cm