In der heutigen Zeit blühen die neuen Medien. Computerspiele scheinen schon bei Kindern immer mehr die althergebrachte Vorlesekultur und das eigene Lesen zu ersetzen. Daher mag es vielleicht zunächst verwundern, dass ausgerechnet jetzt eine Ausstellung über Märchen in Steinskulpturen präsentiert wird. Es stellen sich vielleicht die Fragen: Brauchen wir eigentlich noch Märchen, und brauchen wir das kunstvolle Handwerk der Steinschneider?
Märchen sind ein wichtiger Bestandteil jeder Kultur — sei es in Liechtenstein, in Russland oder woanders auf der Welt. Oft verkannt, besitzen Märchen tiefgründige Gedanken, die dazu beitragen, Kinder auf das Leben vorzubereiten. Der Kampf zwischen Gut und Böse soll Kinder auf den richtigen Pfad verweisen und helfen, ihn zu begehen.
Allen Kulturen gemeinsam ist, dass sich Märchen großer Beliebtheit erfreuen. Dabei weisen sie in ihren Strukturen erstaunliche Ähnlichkeiten auf, die nicht nur ihr Überleben sichern, sondern wiederum zu ihrem Ruhm beitragen. Nur so lässt sich schließlich auch der Erfolg moderner Märchen wie „Harry Potter“, „Herr der Ringe“ oder „Der Hobbit“ erklären. Auch die Filmindustrie bedient sich gern der Märchen.
In den letzten 50 Jahren ist die Märchenwelt, vor allem in ihrer Lesekultur, erneut in Frage gestellt worden. Daher wollen wir mit dieser Ausstellung einen kleinen kulturellen Beitrag liefern, um Kinder, Eltern und Großeltern anzuregen, wieder vermehrt über Märchen zu sprechen, wenn sie es nicht ohnehin bereits tun. Die Ausstellung soll unsere Besucher dazu animieren, sich wieder mit der Lesekultur auseinanderzusetzen und lustvoll Märchen anhand einzigartiger traumhafter Skulpturen zu genießen.
Schon einmal schienen Märchen kurz vor dem Aus zu sein. Im Zeitalter der Aufklärung in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts waren in einer neuen, rationellen Welt Märchen nicht mehr gefragt, ja sie waren in Frage gestellt. Für wen sollten diese phantastischen Träumereien überhaupt noch gut sein?
Unter anderen wollten die Brüder Grimm diese Erzählkultur retten und aufschreiben, was noch ging, bevor alles verschwunden war. Ob ihnen bewusst war, dass ihr Sammlertum nicht nur Vergangenes bewahrte, sondern die Märchen zu neuen Höhen führte?
Etwa zur gleichen Zeit schrieb Alexander Sergejewitsch Puschkin seine weltweit berühmten Märchen, und einige Jahrzehnte später Leo Nikolajewitsch Graf Tolstoi Märchen wie „Das Ungeheuer“ und „Das Mäuschen“. Wie die Brüder Grimm sammelte Alexander Nikolajewitsch Afanassjew zwischen 1855 und 1863 ca. 600 russische Märchen, und Iwan Alexandrowitsch Chudjakow zwischen 1860 und 1862 viele weitere.
Insbesondere durch die zahlreichen Veröffentlichungen deutscher und russischer Märchen entstanden Buchillustrationen zu Märchenausgaben, die damit ein ganz neues Genre in die bildende Kunst einbrachten. Auch andere Künstler beschäftigten sich nun mit Märchen, und so entstanden die ersten Gemälde und Skulpturen zu Märchenmotiven.
Gleichzeitig blühte im 19. Jahrhundert im Ural durch den Reichtum verschiedenster Steinarten die kunstvolle Steinbearbeitung auf. So fertigten die Kunsthandwerker prächtige Gefäße, Büchsen, Schmuck, Skulpturen und architektonische Verzierungen aus vielfältigen Steinarten aus dem Ural. Als Carl Fabergé in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum berühmtesten russischen Goldschmied und Juwelier aufstieg, nahm er diese Tradition der kunstvollen Steinbearbeitung aus dem Ural auf und wendete sie an seinen berühmten Ostereiern, aber auch bei eigens hergestellten Steinskulpturen an, die kleine Wunderwerke darstellten. Gerade seine Werke aus Stein und edlem Metall waren und sind bis heute sehr geschätzt.
Diese Tradition hochwertiger Skulpturen aus unterschiedlichsten Steinen hat im Ural bis heute überlebt, aber sie ist — wie so viele andere außergewöhnliche Kunsthandwerke — in ihrer Existenz bedroht. Doch dank der Unterstützung von Mäzenen und Sammlern wird dieses Kunsthandwerk hoffentlich nicht nur bewahrt bleiben, sondern wieder einen Aufschwung erfahren. Das Bewundernswerte an diesen Steinskulpturen ist unter anderem, dass sie nur aus Original-Gestein ohne Einfärbungen bestehen.
So bin ich glücklich, dass wir dank der großzügigen Unterstützung der Sammler nicht nur diese phantastischen einmaligen Steinskulpturen zum Thema Märchen präsentieren können, sondern mit Ihnen auch auf eine großartige Kunsthandwerkstradition sowie auf unsere reichen Märchenkulturen aufmerksam machen können.
Prof. Dr. Rainer Vollkommer
Direktor des Liechtensteinischen
Landesmuseums in Vaduz
Die Exposition ist im Liechtensteinischen Landesmuseum präsentiert
Den Preis „Schönste Bücher aus Liechtenstein 2015“ hat das Buch „Sagen und Märchen in Meisterwerken Uraler Steinkünstler“ gewonnen
Einen Einblick in die Exposition kann man im Liechtensteinischen Landesmuseum bis zum 18. Oktober 2015 bekommen.
In der heutigen Zeit blühen die neuen Medien. Computerspiele scheinen schon bei Kindern immer mehr die althergebrachte Vorlesekultur und das eigene Lesen zu ersetzen. Daher mag es vielleicht zunächst verwundern, dass ausgerechnet jetzt eine Ausstellung über Märchen in Steinskulpturen präsentiert wird. Es stellen sich vielleicht die Fragen: Brauchen wir eigentlich noch Märchen, und brauchen wir das kunstvolle Handwerk der Steinschneider?
Besonders intensiv entwickelte sich die Steinschneidekunst in Russland im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts. Die aktive Erschließung des Uralgebietes, einer der eigenwilligsten Regionen Russlands und Ursprungsort seltener Gesteine, spielte dabei eine zentrale Rolle. Das namensgebende Massiv des Uralgebirges bildet eine natürliche Grenze zwischen Europa und Asien und eröffnet hinter sich das schier grenzenlose Sibirien. Die Geschichte dieser Region ist eng verbunden mit dem Bergbau, und so entwickelte sich auf Grund der immensen Vielfalt an Mineralien und Gesteinen auf ganz natürliche Weise ein großes Interesse an der Steinschneidekunst.
Im Abschnitt „Ausstellung“ sind alle Werke der Steinschneidekunst aus der Exposition „Sagen und Märchen in Meisterwerken Uraler Steinkünstler“ dargestellt.
Pratteln (BL) - Erstmals werden aus Stein gefertigte Meisterwerke aus dem Ural in der Schweiz ausgestellt. Die Skulpturen stellen Menschen, Tiere, Sagen- und Mythenfiguren mit lebensechtem Ausdruck dar. Basismaterial sind seltenen Gesteinsarten und Mineralien. Die Galerie Hermann Alexander Beyeler in Pratteln (BL) zeigt die Werke vom 3. Dezember 2015 bis 1. April 2016.
Am 8. Juli findet im Liechtensteinischen Landesmuseum in Vaduz feierliche Eröffnung der Ausstellung „Sagen und Märchen in Meisterwerken Uraler Steinkünstler“ statt.
Die Ursprünge der Uraler Steinschneidekunst gehen zurück auf die Epoche der Reformen von Peter I. dem Großen. Die Geschichte dieses Kunsthandwerks war in den dreihundert Jahren seines Bestehens eng verflochten mit westeuropäischen Traditionen der Edelsteinbearbeitung.
Das Steinschneidehandwerk ist eine bemerkenswerte Kunst: Auf der einen Seite ist der Steinschneidemeister ein Künstler im Sinne eines Schöpfers, der einem zunächst harten und formlosen Gegenstand Leben und neue Form verleiht. Andererseits besteht die zentrale Aufgabe des Meisters darin, dasjenige freizulegen und zu präsentieren, was bereits die Natur selbst geschaffen hat: Schönheit, Struktur, die Einzigartigkeit und den Charakter der Mineralien. Jedes Werk der Steinschneidekunst bedeutet einen Balanceakt auf eben jenem schmalen Grat zwischen der Rolle des Schöpfers und der des Vermittlers.
Das Buch wurde extra anlässlich der Ausstellung, die am 23. März im Liechtensteinischen Landesmuseum eröffnet worden ist, vorbereitet: Der Leser kann alle Steinskulpturen der Exposition im Katalog finden.
Der Internet-Videokanal Roomple hat die Werkstatt „Swjatogor“ besucht und einen Film darüber, wie die Steinkünstler die Werke aus Stein schaffen, gemacht.
Die Ausgabe in vier Sprachen kann man im Liechtensteinischen Landesmuseum in Vaduz kaufen.
Die Ausstellung „Sagen und Märchen in Meisterwerken Uraler Steinkünstler“ präsentiert ausgewählte Skulpturen zum Thema Märchen, mythologische Figuren und epische Helden. Die Folklore ist seit Alters her bis zum heutigen Tage ein wichtiger Teil der russischen Kultur. Schriftsteller und Künstler schöpfen aus den Volksüberlieferungen ihre Motive, und die russische Sprache ist reich an Bezügen zu den Figuren und Erzählungen, die jeder aus der Kindheit kennt.